Reisebericht Vietnam 2019

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Reisebericht nach Vinh, Nordvietnam 16.5.-20.5.2019

Im Mai 2019 waren Rolf Biniek und Bert Jackwerth auf einer Reise durch Vietnam und haben das Heim in Vinh besucht. Hier der Bericht über den Besuch in Vinh von Rolf.

16.5.19
Bert und ich fahren am Morgen mit dem Taxi vom Hotel zum Bahnhof in Danang und es gibt eine deutliche Verbesserung in der Logistik. Mit dem Barcode des Internet-Tickets kann man wie am Flughafen durch die Eingangskontrolle am Bahnhof gehen. Diesmal sind wir alleine im Abteil und schlafen doch erst mal ein. Gegen 23:00 laufen wir dann mit dem doch recht gemütlichen Zug mit maximal 60 km/h in Vinh ein und können einen Taxifahrer überreden, uns um diese Uhrzeit noch in unser bekanntes Hotel nach Cua Lo zu fahren, wo wir nach Mitternacht ankommen und dort in die Betten fallen. Im Hotel ist zu unserer Überraschung noch ziemlicher Betrieb, anscheinend sind wir doch in die vietnamesische Ferienzeit geraten und der Ort ist voll von einheimischen Urlaubern.

17.5.19
Bert und ich sind noch um 8:00 beim Frühstücken, die netten Leute vom Hotel kennen meinen Magen schon und haben vorsichtshalber nur Spiegeleier und Brot vorbereitet. Da kommen auch schon Sr. Lan und Sr. Su vom Heim 19-3 und holen uns mit dem Auto ab. Erst einmal lange Begrüßung und Diskussion mit der Familie des Hotels und dann geht es mit der sehr vorsichtig fahrenden Sr. Su zum Heim. Sr. Su fährt vietnam-untypisch mit korrekter Geschwindigkeit und beachtet sogar rote Ampeln!
Im Heim angekommen, kenne ich doch noch viele Gesichter bei den Schwestern von meinem letzten Besuch von 2017, bei den Kindern sehe ich sehr viele neue Bewohner.

Heim 19-3

Ich zähle 34 Kinder und nach Angaben von Sr. Lan sind derzeit 22 Schwestern im Heim tätig.
Wir machen in Begleitung von Sr. Lan und Sr. Su einen ersten Rundgang durch das Heim, wobei Sr. Su nach einem Englisch-Intensivkurs über drei Monate schon ganz gut kommunizieren kann. Spezielle Fragestellungen versuchen wir wieder mal mit dem Google-Übersetzer Englisch-Vietnamesisch zu lösen. Es fallen mir folgende Punkte auf:

• Wie verabredet und von uns finanziert sind neue Fenster und Türen mit Kunststoffrahmen eingebaut, die funktionell wesentlich besser sind, als die vorherigen Holzelemente.
• Die zweite Etage ist nach den letzten Sturmschäden des Daches gut und solide ausgebaut worden. Der Dachboden des rechten Seitenflügels ist durch die Anhebung des Daches jetzt gut als Wasch- und Trockenraum in Nutzung und die Waschmaschinen und Trockner sind aufgestellt und in Gebrauch. Der ehemalige Trockenraum im Querflügel ist jetzt als Andachtsraum hergerichtet und der ehemalige Andachtsraum in der 1. Etage dient derzeit als Lagerraum.
• Die aufwendige und für die Statik des Gebäudes zu schwere Wasseraufbereitungsanlage ist verkleinert und im Erdgeschoss untergebracht. Ich habe mich von der Funktionsfähigkeit der Anlage überzeugen können. Bei der Umsetzung der Anlage mussten allerdings Einbußen in der Qualität hingenommen werden. Durch die Verkleinerung der Anlage wird Trinkwasserqualität nicht mehr gewährleistet, allerdings sei das Wasser immer noch sauberer als das Wasser über die staatliche Wasserleitung und würde zum Kochen, Waschen, Duschen und weiteres Brauchwasser eingesetzt.
• Insgesamt ist das Gebäude nach meinem Eindruck in einem sehr guten Zustand, die Wasserschäden in den Decken, die uns vor drei Jahren aufgefallen waren, sind nicht mehr sichtbar.
• Bei den Kindern sehe ich viele neue Gesichter und ich werde die nächsten zwei Tage mit der Untersuchung der Kinder verbringen. Im Vergleich zu 2017 sehe ich deutlich mehr mobilisierte Kinder.
• Von Sr. Lan lasse ich mir das neue gekaufte Grundstück und die Neubaupläne zeugen und erläutern. Das neue Grundstück ist 25 Meter tief und 60 Meter lang, verläuft hinter dem bisherigen Gebäude und erstreckt sich hinten über die vier Nachbarhäuser auf der linken Seite. Es werden mir Baupläne vorgelegt, wobei es sich nach meinem Eindruck überwiegend um ein Wohnhaus für Ordensschwestern mit insgesamt 64 Schlafplätzen handelt. Das Konzept ist aber immerhin so flexibel, dass im Erdgeschoss zwei sehr große Zimmer mit jeweils etwa 100 qm als Zimmer für behinderte Kinder genutzt werden könnten, entsprechende Sanitäreinrichtungen sind auch vorgesehen. Eine Baugenehmigung sei beantragt und mit einer Genehmigung sei in etwa 6 Monaten zu rechnen. Die Baukosten würden bei 6 Bill. VND liegen. 6 Bill. VND entsprechen nach meinen Berechnungen dabei etwa 230 T €.
• Für das Problem der Abwasserentsorgung eines solchen weiteren großen Gebäudes konnte ich ohne Übersetzer keine Lösung erkennen.
Ich beginne mit Hilfe von Sr. Xin und Sr. Su die Kinder zu untersuchen und kann an Hand der Karteikarten eine Übersicht der Kinder seit 2009 erstellen.


• Von 2009 bis 2019 konnten wir insgesamt 71 Kinder untersuchen, die im Heim versorgt wurden.
• Derzeit leben 34 Kinder im Heim.
• Seit 2009 sind 29 Kinder wieder in ihre Familien entlassen oder es sind neue Pflegefamilien gefunden worden.
• Seit 2009 sind insgesamt 8 Bewohner gestorben, davon 6 in den ersten Jahren 2009-2013. Seit 2014 sind nur noch 2 Kinder gestorben
Mittags und Abends essen wir wieder gemeinsam mit den Schwestern und dürfen uns als Teil der Gemeinschaft fühlen. Wir werden von Sr. Lan und Sr. Su wieder zum Hotel gefahren und machen Abends einen Bummel über den Strand. Für mich ergibt sich ein völlig ungewohntes Bild, ich kenne den Ort nur mit leeren Stränden und verlassenen Strandbuden. Jetzt ist der Ort „rappelvoll“, der Strand auch abends noch voll mit badenden Urlaubern, alle Strandbuden und Imbissbuden sind in vollem Betrieb und es herrscht eine enorme Lautstärke.

18.5.19
Bis zum Nachmittag konnte ich alle 34 Kinder/Bewohner untersuchen und es ergab sich für mich folgendes Bild:
• Seit meinem letzten Besuch 2017 sind eine Reihe von Kindern wieder in die Familien entlassen worden.
• Die neuen Bewohner sind nicht mehr so schwer behindert, wie das noch 2017 der Fall war. Bei der jetzigen Untersuchung waren von den 34 Bewohnern 13 alleine in der Lage zu laufen, 7 brauchten dazu Hilfe und 14 konnten auch mit Unterstützung nicht laufen.
• Ein wie auch immer gearteter Schulunterricht findet trotz offizieller Schulpflicht nicht statt.
• Bei drei der schwerst behinderten Kindern fand ich leider einen Dekubitus Grad 2-3, was im Vergleich der Jahre aber eher weniger geworden ist.
• Hinweise auf Skorbut oder Mangelernährung habe ich nicht gefunden.
• Die vorhandenen Gelenkversteifungen (Kontrakturen) sind über die Jahre nicht mehr geworden.
• Eine allgemeine Förderung der Kinder im Sinne von regelmäßiger Physiotherapie, Ergotherapie oder pädagogischer Einzelförderung ist nur durch punktuelle Eigeninitiative der jeweiligen Schwestern möglich. Ein Gesamtkonzept dazu fehlt weiterhin.
• Evtl. notwendige Fixierungen habe ich in drei Fällen gesehen, wobei nur noch das von uns angeschaffte Segufix-System im Einsatz ist, Fixierung über Eisen-Ketten und einschnürende Bänder wie noch in den Jahren zuvor konnte ich nicht mehr beobachten. Aktuell war kein Kind fixiert.
Weiterhin findet eine Unterstützung des Heimes durch die lokale Bevölkerung statt. Ich konnte insbesondere am Wochenende mehrfach entsprechende Sach- oder Geld-Spenden bemerken.
Wir fahren wieder ins Hotel und verbringen den restlichen Abend in einer völlig überfüllten und sehr lauten Strandkneipe.

19.5.19
Heute Morgen hatte ich eine lange Diskussion mit Sr. Lan über weitere Projekte. Ich habe versucht, Sr. Lan mitzuteilen, dass die wesentlichen Probleme derzeit nicht in der Gebäudestruktur sondern eher in fehlenden Konzepten zu sehen sind. Sr. Lan hatte dazu nur bedingt Verständnis und hat immer wieder versucht, auf die mangelhafte räumliche Ausstattung zu verweisen.
Nach längerer, etwas schwieriger Diskussion haben wir uns auf folgende Punkte verständigt:
• Da das bisherige Gebäude unserer Ansicht nach derzeit ausreichend ist, erfolgt von Seite des Vereines keine Förderung des neuen Gebäudes.
• Wir sorgen weiterhin mit unseren Geldmitteln für eine ausreichende Grundversorgung der Kinder mit Lebensmitteln, Medikamenten und Hilfsmitteln wie Windeln.
• Um eine pädagogische Weiterentwicklung des Heimes anzustoßen, haben wir angeboten, die Weiterbildung einer Mitarbeiterin in Behindertenpädagogik zu unterstützen. Von Sr. Su liegt Interesse an einer universitären Weiterbildung an einem entsprechenden Studiengang in Saigon vor und ich habe hier eine Unterstützung des Vereines für eine solche Weiterbildung zugesagt.
Wir werden sehr herzlich nach den üblichen Foto-Strecken verabschiedet und fahren wieder ins Hotel zurück, weil wir uns mit der Hotel-Familie auf eine Teilnahme am dortigen Gottesdienst verabredet hatten.


Gegen 15:00 nehmen wir dann an einem kleinen katholischen Gottesdienst in einem kleinem Andachtsraum im Nebengebäude teil. Der Gottesdienst wird dabei in wesentlichen Teilen von der Familie unseres Hotels gestaltet.
Gegen Abend setzen wir uns wieder an den Strand und bleiben weiterhin die einzigen Nicht-Asiaten.

20.5.19
Die Schwestern des Heimes sind so nett und fahren uns noch vom Hotel zum Bahnhof, wo um 9:45 der Zug weiter nach Hanoi fährt. Nach herzlichem Abschied geht es dann wieder weiter.

Bonn, den 27.5.2019
Rolf Biniek