Norbert Weise übernimmt Ehrenamt bei Friedenskinder

Folge 24 unserer Serie: Was macht eigentlich …?
Warum Weise jetzt auch Meuselwitz kennt
Den Ex-Generalstaatsanwalt beschäftigen im Unruhestand Fußball-Wettskandal und Ost-Justiz
„Was macht eigentlich …?“
Unter diesem Motto berichten wir in loser Folge, was Menschen heute tun, die früher im RZ-Land und darüber hinaus Schlagzeilen gemacht haben – und um die es zumindest öffentlich etwas ruhiger worden ist. Heute schildern wir, was der frühere Generalstaatsanwalt Norbert Weise seit dem Abschied von spektakulären Kriminalfällen jetzt macht.
Als wir das versteckt liegende Haus hoch über dem Koblenzer Mühlental erreichen, ist gleich zu hören, dass wir uns nicht verfahren haben: Mit unverkennbar deutlicher Stimme geht der frühere Generalstaatsanwalt Norbert Weise mit dem Telefon am Ohr im Schatten auf und ab. Wie außer Diensten wirkt der 67-Jährige nicht – auch nicht in kurzen Hosen.
Der frühere Chefankläger und Chef von vier Staatsanwaltschaften ist immer noch viel in Bewegung, um etwas zu bewegen – auf Fußballplätzen oder sozialen Feldern. „Früher habe ich immer gelächelt, wenn Pensionäre sagten, dass sie keine Zeit haben“, sagt Weise mit schmunzelnder Selbstironie. Dabei wirkt er auf der Terrasse ganz entspannt. Wer den Juristen zuletzt zwischen Sofia, Frankfurt und Bochum erreichen wollte, stellte schnell fest: Als Vize-Chef im DFB-Kontrollausschuss und Entwicklungshelfer in Sachen Justiz hat er immer noch einen vollen Terminkalender. Den muss er jetzt aber auch selbst managen. Denn sein enorm verjüngtes „Vorzimmer“ ist nicht ganz so perfekt organisiert, wie die Spielzeugeisenbahn der Enkel rund um den Schreibtisch zeigt. Die Kleinen mussten ihn zuletzt oft vermissen. Zehn Wochen hat Weise aus dem Koffer gelebt, um im EU-Auftrag in Rumänen und Bulgarien für Rechtsgrundlagen zu werben, mit denen Korruption besser bekämpft und illegale Gewinne abgeschöpft werden können.
Hilfe bei Rechtsreformen
Schon im Amt hat er viele Kontakte geknüpft, damit durch internationale Zusammenarbeit Schwerstkriminelle keinen sicheren Hafen finden. Heute ist der Koblenzer Jurist mit der Deutschen Stiftung für internationale rechtliche Zusammenarbeit unterwegs, die im Auftrag der Bundesregierung Partnerstaaten bei Justizreformen unterstützt.
Wer ihn kennt, kann sich vorstellen, wie engagiert er Überzeugungsarbeit leistet. Aber nach seinen vorläufigen Erkenntnissen dürfte ihm und anderen Experten die Arbeit an Projekthilfen nicht so schnell ausgehen. Obwohl Rumänien, sagt Weise, über eine kompetente Anti-Korruptionsdirektion und Gesetze mit EU-Standard verfügt, kommt es kaum zu Verurteilungen. Denn gewieften Kriminellen spielt das zu förmliche Prozessrecht in ihre Schmiergeld-Hände. „Da müsste einiges reformiert werden.“ Aber Weise ist sich nicht sicher, ob dies so schnell gelingt, wie Juristen hoffen. Der Mann, der im Amt unbequeme Wahrheiten stets ungeschminkt benannt hat, übt sich in diplomatischer Höflichkeit, wenn er sagt: Auch bei der Rechtshilfe mit dem Ausland gibt es „noch gelegentlich Defizite“.
Ganz nach Weises Geschmack und Temperament läuft es für ihn beim Deutschen Fußballbund (DFB) – mit schnellem Recht notfalls per Handy. Telefonisch schafft es der Kontrollausschuss, dass alle Sperren für Rotsünder in 14 Ligen vom Wochenende bis zum Dienstag festgelegt sind, sagt Weise, auch langjähriger oberster Fußballrichter im Verband Rheinland, stolz. Langwieriger gestalten sich dagegen Vernehmungen, bei denen Weise wieder ganz in seinem alten Metier ist: beim Wettskandal im Fußball. Die Bochumer Schwerpunktstaatsanwaltschaft ermittelt nach eigenen Angaben inzwischen weltweit gegen 250 Verdächtige, die mit gekauften Spielern und bestellten Ergebnissen 270 Spiele im In- und Ausland manipuliert haben sollen.
Fall Hoyzer und die Folgen
Im Mittelpunkt stehen für die Bochumer Fahnder auch wieder alte Bekannte aus der Schiedsrichter-Affäre um Robert Hoyzer: Im Visier sind im Berliner Zocker-Hauptquartier Café King wieder die Brüder Sapina. Während in Bochum erste Anklagen angekündigt werden, hat der DFB über sportgerichtliche Sanktionen zu entscheiden. Das weltweite Wett-Netzwerk ist dabei höchst diffus verwoben. „Kennen Sie den ZFC Meuselwitz?“, fragt Weise rhetorisch, Kopfschütteln erwartend. „Ich hatte vorher auch noch nichts von dem thüringischen Verein gehört. Aber in Asien ist auf ihn Geld gewettet worden.“ Denn auf dem asiatischen Markt „sind Zocker unterwegs, die auf alles wetten – auch auf Meuselwitz“. Da nach dem Hoyzer-Skandal prominente Ligen sensibilisiert sind, ist für Weise klar: Gefährdet sind eher untere Ligen, die nicht im Rampenlicht stehen.
Daheim im Rheinland aber, wo Weise auch als Verwaltungsratsmitglied der TuS Koblenz agiert, sind bislang keine Vorfälle bekannt geworden. Vor dem nächsten Anpfiff müssen demnächst alle Ämter ruhen, ob bei Caritas, DRK, dem sich um Kinder in Ruanda, Kenia, Bulgarien oder Sri Lanka kümmernden Verein „Friedenskinder“ (früher: Kinder brauchen Frieden) oder bei der Bewährungshilfe. Denn Weise will es als Kletterer noch einmal wissen und trainiert für Viertausender im Monte-Rosa-Massiv. „Es wird ein bisschen schwerer“, gibt er nur ungern zu. Aber seine Nachspielzeit im Gebirge nutzt Weise bis zuletzt aus.Ursula Samary
Oeffentlicher Anzeiger (Ost) vom Montag, 19. Juli 2010, Seite 3 (0 Views)